„Der Flieger kommt! München, 10. Juli. Herr Rittmeister Graf Wolfskeel beabsichtigt morgen Donnerstag früh nach Neuburg zu fliegen. Voraussichtliche Ankunft 5 Uhr früh. Landungsplatz kleiner
Exerzierplatz.“ Mit diesen Worten wurde die Ankunft des ersten Flugzeuges auf dem damaligen Exerzierplatz des 15. Bayerischen Infanterieregimentes in Neuburg im lokalen Anzeigenblatt
angekündigt. Die Menschen waren fasziniert, es war schier eine Sensation.
Und genau dieses Ereignis vor 110 Jahren würdigte das Taktische Luftwaffengeschwader 74 in
Neuburg mit einem Festakt. Knapp 300 geladene Gäste, darunter aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Militär, kamen auf Einladung von Kommodore Oberst Gordon Schnitger auf den Fliegerhorst in den Neuburger Ortsteil Zell.
Am 11. Juli 1912 begann die Militärfliegerei in Neuburg mit der Landung des Doppeldeckers vom Typ EULER auf dem damaligen Exerzierplatz des 15. Bayerischen Infanterieregiments (Teil der 1912
gegründeten Königlichen Fliegertruppe). Diese Landung war zur damaligen sensationell. Jeder wollte dieses Fluggerät bestaunen, weshalb die Soldaten das „Flugfeld“ absichern mussten. Mitte der
1930er-Jahre wurde der Flugplatz vier Kilometer östlich der Stadt angelegt. Zunächst wurde der Standort von der Flieger-Waffenschule, der Blindflugschule und verschiedenen Einsatzverbänden genutzt. Erst in den letzten Kriegsjahren wurde der Fliegerhorst für die „Serien-Einfliegerei“ der ME 262, damals der erste operationell eingesetzte Düsenjäger der Geschichte, genutzt. Bei den Bombenangriffen der Alliierten wurde der Fliegerhorst im März 1945 zerstört. Von 1955 bis 1957 erfolgte der Wiederaufbau des Flugplatzes durch die Amerikaner und im Jahre 1958 konnten die
Deutschen ihren Fliegerhorst übernehmen.
Erst am 5.Mai 1961 wurde der Fliegerhorst zu Heimat des damaligen Jagdgeschwaders 74. Mit der North American F-86K Sabre, dem ersten Allwetter-Abfangjäger, stellte der Verband, der der
NATO unterstellt war, die Alarmrotte. Bereits im Mai 1964 wurde die legendäre F-104 G Starfighter in den Verband überführt. Die Umstellung auf das Waffensystem der F-4F Phantom erfolgte im
September 1974. Mit einem Fly-Out am 12. Juni 2008 wurde die F-4F Phantom II in Neuburg außer Dienst gestellt.
Im Sommer 2006 startet zum ersten Mal ein Eurofighter im Jagdgeschwader 74. Drei Jahre später war der Verband der erste, der mit diesem Kampfflugzeug im Rahmen der Mission Air Policing
Baltikums im Einsatz war, um den NATO-Luftraum in den baltischen Staaten zu schützen. 2012 wurde der erste Non-stop Flug des Eurofighters mit Luftbetankung im Rahmen der Verlegung von Neuburg in die USA zur Teilnahme an der Übung „Red Flag“ erfolgreich durchgeführt. Am 18. März 2013 folgte dann die Auflösung des Jagdbombengeschwaders 32 mit der dazugehörige Tigerstaffel. Unter den damaligen Kommodore des Jagdgeschwaders 74, Oberst Andreas Pfeiffer, übernahm der Verband den Tigerspirit und die damit verbunden Herausforderungen. Die Bavarian Tigers sind ein Mitglied der NATO Tiger Asscociation und nehmen, wenn möglich, an der jährlichen Übung „Tiger Meet“ mit einen extra im Tigerdesign foliierten Eurofighter teil.
Oberst Schnitger freut sich auf die neue Herausforderung für seine Soldatinnen und Soldaten, die im Spätsommer nach Australien verlegen, um im Rahmen Rapid Pacific 2022 an den Übungen Pitch Black und Kakadu teilzunehmen. Die Luftwaffe ist dabei mit den Waffensystemen Eurofighter (sechs Stück), A400M (vier Stück) und A330 MRTT (drei Stück).
Das Geschwader in Neuburg, das die Alarmrotte QRA für den südlichen deutschen Luftraum stellt, sei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort sehr verbunden, sagte Schnitger in seiner Ansprache. Für viele Soldatinnen und Soldaten sei Neuburg inzwischen zur Heimat geworden, man fühle sich „sauwohl“. Die Neuburger schätzten die Sicherung des Friedens durch das Geschwader, ebenso wie die gute Leistung bei der Amtshilfe im Rahmen der Corona-Pandemie sowie das soziale Engagement, etwa
durch die Bavarian Tigers. „Ich bin stolz auf meinen Verband“, sagte Schnitger.
Für einen emotionalen Moment beim Festakt sorgten die Bavarian Tigers. Die Mitglieder fertigen Patches mit Tiger-Logo, der Aufschrift „We support Ukraine“ und den Farben der ukrainischen Flagge an. Insgesamt 1500 Stück konnten sie verkaufen und so 10.074 Euro einnehmen. Den Scheck überreichten die Mitglieder an das Neuburger Traumtheater, deren Vorsitzende Tanja Kolb vor Freude mit den Tränen kämpfte, und an die Stiftung „Für Neuburger“, die sich beide auch für die Kriegsflüchtlinge einsetzten.
Nach einem kleinen Imbiss konnten die Gäste Starts mehrerer Eurofighter beobachten sowie einige Nostalgie-Maschinen bewundern. Die alten Flugzeuge wurde aus Aalen und Oberschließheim eingeflogen und ausgestellt. Oberst Schnitger ließ es sich nehmen, mit ein paar Vertretern der Lokalprominenz einen kleinen Rundflug mit der Antonow A2-2, Baujahr 1958, über Neuburg und Umgebung zu starten.
Einige Festgäste schlenderten auch interessiert durch die Militärgeschichtliche Sammlung, die sich
auf dem Gelände des Fliegerhorsts befindet. Hier wird die gesamte Historie des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74 von 1912 bis heute anschaulich mit zahlreichen Bildern, Dokumenten und
Ausstellungsstücken dargestellt. Die Ausstellung kann nach vorheriger Terminabsprache bei der Pressestelle des Neuburger Geschwaders per E-Mail an taktlwg74presse@bundeswehr.org besichtig werden.
Autorin & Fotos :Petra Uhlherr , PR